Meldung vom 20.07.2010 

EU-Knöllchen erneut in der Warteschleife

Wer im Ausland gegen Verkehrsvorschriften verstößt, kann sich Hoffnung darauf machen, dass die Vollstreckung der Strafe im Heimatland vorerst unterbleibt.

Denn die ursprünglich für den 1. Oktober 2010 vorgesehene Inkraftsetzung des sogenannten Geldsanktionsgesetztes wird sich nach einem Bericht des ACE Auto Club Europa höchstwahrscheinlich verzögern. Der Leiter Verkehrsrecht beim ACE, Volker Lempp, verwies am Mittwoch in Stuttgart auf die Begründung des Gesetzentwurfs (zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates der EU), den der Bundestag in seiner Sitzung an diesem Donnerstag (8.7.) in 2. und 3. Lesung beschließen soll. Nach Angaben von Lempp geht die Bundesregierung selbst davon aus, dass das Gesetz unter anderem wegen des sich anschließenden weiteren Gesetzgebungs- und Verkündungsverfahrens nicht mehr am 1. Oktober in Kraft treten kann. Wie der ACE weiter mitteilte, ist Deutschland mit der Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses in nationales Recht bereits rund fünf Jahre in Verzug.

Aus Sicht von ACE-Verkehrsrechtsexperte Lempp ist es fraglich, ob das zur Beschlussfassung ins Parlament eingebrachte Geldsanktionsgesetz mit den darin enthaltenen Regeln zur grenzüberschreitenden Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen verfassungsrechtlich tatsächlich unbedenklich ist.
Nach den Worten von Lempp muss sichergestellt sein, dass ausländische Bescheide, die auf der Grundlage einer sogenannten Halterhaftung ergehen, in Deutschland nicht vollstreckt werden dürfen beziehungsweise vollstreckt werden können. Grund für diese Einschränkung ist, dass im Unterschied zur Gesetzeslage in mehreren anderen europäischen Ländern hierzulande im fließenden Verkehr lediglich die Fahrerhaftung gilt. Demnach kann in Deutschland wegen eines Verkehrsvergehens grundsätzlich nur der Fahrer des Fahrzeugs, nicht aber dessen Halter belangt werden. Zuletzt hatte der Deutsche Verkehrsgerichtstag Anfang des Jahres an den verfassungsrechtlichen Grundsatz „keine Strafe ohne Schuld“ erinnert. Der ACE hält es aber ebenso wie der Verkehrsgerichtstag für möglich, Fahrzeughaltern Kosten des Ermittlungsverfahrens aufzuerlegen. Damit käme es zu einer Angleichung an die auch in Deutschland geübte rechtmäßige Praxis, wonach etwa bei Parkverbotsverstößen im ruhenden Verkehr der Halter des Fahrzeugs mit den Verwaltungskosten des Verfahrens belastet wird.

Lempp führte weiter aus: „In seinem Lissabon-Urteil vom 30.06.09 hat das Bundesverfassungsgericht nochmal bestätigt, dass der Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ zum unverzichtbaren Mindeststandard unserer Rechtsordnung, und damit zur „Verfassungsidentität“ gehört, die auch für Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft nicht zur Disposition stehen kann. Hier ist größte gesetzgeberische Sorgfalt geboten, soll die Umsetzung dieses wichtigen Rahmenbeschlusses nicht, wie schon andere europäische Rechtsakte vor ihm, in Karlsruhe gestoppt werden.

Schon jetzt zeigen sich bedenkliche Nachlässigkeiten im Detail, etwa in der Frage, ob bei der Vollstreckungsuntergrenze von 70 Euro die Verfahrenskosten mitzurechnen sind oder nicht“. Lempp betonte: „Wenn es zum EU-Knöllchen kommt, muss es bei allen Grenzen überschreitenden Sanktionen umfassend rechtsstaatlich zugehen; in diesem Sinne wollen wir Autofahrer in ihren Belangen stärken.